Liebesgedichte aus dem Orient III
LIEBESHYMNE
Sie ist schlank wie ein biegsamer Zweig. Ihr Blick
macht trunken wie Wein; trunken macht der Nektar ihres Mundes.
Sie ist ein Mond, der aufgeht über dem Horizont
meines Herzens.
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Sie ist eine Gazelle und durchfliegt die
Ebene, meiner Augen.
Die vollendete Schönheit erkennt sie
als Herrin an. Alle Schönheiten schlafen in ihren
Gliedern. Ihre Bewegungen sind
geschmeidig, zum Anbeten.
Mein Herz ward ihr Gefangener, und
meine Tränen fließen, aus Liebe.
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Auf ihrem Nacken wächst ein zarter Flaum. Karminrot
glänzen ihre Lippen, wie alter Wein.
Auf ihren Wangen leuchtet der Abglanz eines Feuers
der Liebe; Dieses Feuer der Liebe wütet in meinem Herzen.
Ihr Antlitz gleicht dem Monde am Firmament; Die
Menschen nennen die beiden Zwillingsgestirne.
Der Liebende findet es süß, sich ganz zu
opfern für sie. Er spürt keine Scham; um ihretwillen
verleugnet er seine Geliebte.
O mein Herz, wie bist du keusch, Während meine
Augen ihr Bild einsaugen, voller Entzücken.
Der allein kennt das Glück dieser Welt, Der sich
tränkt von der Nässe ihres Mundes am Morgen und am
Abend.
IL HAGYRI (13. Jh)
LIEBESGEBET
Komm, laß uns deine Schönheit sehn, o Weib,
Dein Wuchs ist gleich dem Stengel einer Blüte, Dein
Antlitz ist für uns das Paradies.
Und lächle, daß dies Paradies erschimmert,
Und sprich: denn deine Worte sind wie Perlen, Laß
niederrauschen deiner Perlen Flut!
Du, engelhaftes Wesen, darfst niemals Von dir
behaupten, daß aus Erde du Und Wasser seist gebildet, so
wie wir.
Entkleide dich. Laß deinen Leib uns schauen, Damit
wir Irdischen bestaunen können, Was Allah so in Herrlichkeit
erschuf.
Laß uns die Engelflügel sehen, die Du
trägst. Du bist ein Bildwerk von dem Künstler Aus einem
Blocke puren Lichts gemacht.
Ein silberklarer Quell ist deine Schönheit, Wo
sich die armen Seelen Heilung trinken. O liebe Quelle! Sei gerecht
und schenke
Die gleiche Gunst den Durstgequälten allen, Und
laß die Herzen, die verschmachten wollen, Sich retten in
dein heiliges Schutzgebiet.
ISMAIL PASCHA SABRY
LIEBESLIED
Dein voller Busen ist so weiß und hart Wie
Elfenbein. Die Weichheit deiner Wange
Ist wie das süße Fleisch der
Banyanfrucht, Und auch so frisch und duftend ist dein Antlitz.
Die schlanken Säulen deiner Beine zeigen Das
Ebenmaß der jugendlichen Palmen.
Auf deinen Schultern ruht der Tau der Frühe, In
deinen Haaren schläft die Lust der Nacht.
Du atmest wie der Frühling; Blumen blühen In
deiner kleinen Füße Spuren auf.
Das Feuer jenes Sterns am Abendhimmel Ist Dämmrung
gegen deines Auges Schein!
UNBEKANNTER DICHTER
Du bist so schön ...
Du bist so schön wie eine Pfirsichblüte, So
zart wie eine junge Rosenknospe, Die eben zaghaft durch die Schale
bricht.
Du bist so frisch wie vom Hibiskusstrauche Das erste
Blatt. Wenn du mich nicht verschmähtest, - Du Schönste,
wie glückselig wäre ich!
Wenn du zum königlichen Tempel schreitest, So
wart ich schon auf dich am Wegesrande, Und nahst du dann, füll
ich mein ganzes Herz
Mit deiner Schönheit märchenhaftem Bilde, Und
kehrst du wieder, heim, so geh ich Und nehm dein Bild in meiner
Seele mit.
Aus ANNAM
Sulima
Ich glaubte durch die Spalte einer Türe Zwei
rote Rosenblüten zu erblicken, Doch scheint es, daß
mein Auge mich betrog:
Was ich für zarte Rosenblüten hielt An
einem hochgewachsnen Stamm, es waren Die wundervollen Wangen
Sulimas.
Ich glaubte durch die Spalte einer Türe Zwei
Blüten einer Lilie zu erblicken, Doch scheint es, daß
mein Auge mich betrog:
Was mir als blendend weiße Lilienblüten
Zuerst erschien, es war der wundervolle, Wie Blüten
weiße Busen Sulimas.
Ich glaubte durch die Spalte einer Türe Zwei
Blüten des Granatbaums zu erblicken, Doch scheint es, daß
mein Auge mich betrog:
Was irrend ich für feuerrote Blüten Eines
Granatbaums hielt, es war das Glänzen Der flammend roten
Lippen Sulimas.
Sie ist die Königin der Fraun, sie schreitet Gleich
der Gazelle, tut der Holden kund, Daß meines Hauses Gärten
groß und kühl
Und voller Blumen sind in allen Farben Und wie
geschaffen für ein göttlich Wesen Mit Fleisch wie Ambra
und wie Elfenbein.
Und sagt ihr, daß ich heißer nichts begehre
Als ihrer Wangen, ihrer roten Lippen Und ihrer Schultern
Blütenherrlichkeit.
aus BELUTSCHISTAN
DIE HERRLICHE
Du bist wie eine Zauberin! Die Schritte, Die deine
schlanken Lenden tun, verwirren; Der Maulbeerbaum umkost dich,
dem du nahst.
Pflückst du dir Blumen, fliegen sie beseligt In
deine Hände. Fällt dein Ärmel rückwärts, So
seh ich einen Arm, der himmlisch ist.
Zwei goldne Reifen gehn um deine Knöchel, In
deinem Gürtel prangen blaue Steine, Ein kleiner goldner
Vogel schmückt dein Haar.
Um deinen Hals, der glatter ist als Jade, Flirrt
eine Kette großer, echter Perlen, Die eine Spange von
Korallen schließt.
Wenn sich der Wind in deinen Kleidern fängt, So
bauschen deine Kleider sich wie Wolken, Darin die Götter
durch den Himmel ziehn.
Siehst du mich an, so glüh ich wie die Hölle;
Streift mich ein Hauch von deinen roten Lippen, So atme ich
den Duft der Blume Lan.
Begegnet dir ein Reiter vor den Toren, So hemmt er
seines Rosses wilde Hufe, Ihm ist, als ob ein holdes Traumbild
naht.
Sieht dich ein Hungriger am Straßenrande, So
blickt er auf und läßt die Mahlzeit ruhen Und staunt
dich an und weiß nicht, daß ihn hungert ...
Gedicht
eines Fahrenden (3. Jh.)
DER UNWÜRDIGE
Schön ist die Linie deiner Augenbrauen, Wie
Porzellan sind deine Handgelenke, Und deine Wangen sind wie
Pfirsiche.
Du wandelst wie ein Reh mit scheuen Füßen;
Und bringst du deinen Ahnen Totenopfer, So scheinst du groß
wie eine Priesterin.
Du bist die schönste Frau am Gelben Flusse Und
rein wie Neuschnee. Keine böse Zunge Wagt deines Herzens
Reinheit anzutasten.
Ich bin nicht würdig, deines Herzens Neigung Je
zu besitzen. Ich bin schlecht und niedrig, Doch du bist einer
Göttin strahlend Kind.
Gewähre mir, daß ich von ferne stehe, Ich
will ein Lied auf meiner Laute suchen, Das meine Lust und Qual dir
künden soll.
La-Ksu-Feng (geb. 1852)
LIEBESLIED
So hold sind deine Hände, daß Die Blume
Lan aus deinen Händen Erblühen sollte. Also würde Die
Blume Lan am schönsten sein.
So zart sind deine Füße wie Der feine
Schmelz der Schmetterlinge; Sie hinterlassen keine Spuren, Sie
sind wie dünne Wolken.
So hold ist deine Stimme wie Das Lied der Ammer an
dem Bache, Wenn sich die Weiden neu begrünen; Du
flüsterst, wie die Blätter tun.
Schön sind die Aprikosenbäume Im Schmucke
ihrer lichten Blüten, Doch du blühst herrlicher,
Geliebte, Im schwarzen Schmucke deines Haars.
Du bist die Blume aller Blumen, Und sehe ich dich
nur von ferne, So hör ich keine Ammer singen, Ich sehe
keine Schmetterlinge, Ich neide keine Götter!
Schei-Min
(1858-1901)
Teil 4: Liebesgedichte aus dem Orient
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