Liebesgedichte aus der chinesischen und persischen Lyrik

Chinesische Liebesdichtung

GEMEINSAME LEKTÜRE

Die zarte Inbrunst mag sich so entfalten:
Du blätterst Blatt um Blatt in einem Buche.
Und plötzlich mußt du leise innehalten:
Du bist betäubt von einem süßen Ruche,
Der aus den Seiten dir entgegenschlägt.
Du bist von einem holden Hauch bewegt -
Als nun die Freundin, deren Herz sich regt,
Die Wange sacht an deine Wange legt.


(Anonym)

IMPROVISATIONEN

1.
Die Libelle schwebt zitternd und schillernd über dem Teich.
Der liegt glatt und regungslos. -
So bebt mein Herz
An deinem Herzen.

2.
Das Pfauenauge tanzt von Blume zu Blume
Die Weinbergschnecke braucht eine Woche von
der Rose bis zur Narzisse.
Deine Liebe ist die Liebe des Pfauenauges,
Meine Liebe ist die Liebe der Weinbergschnecke.

3.
Ich sah einen Raubvogel über dem Garten kreisen.
Der Hund bellte. Die Hühner wurden unruhig.
Da sah ich dich am Fliederzaun winken.
Meine Augen verschleierten sich. Mein Blut rauschte.

4.
Der Himmel blüht wie eine dunkle Dolde.
Der Fluß fließt durch die Nacht. Das Herz tickt.
Jenseits des Stromes wandert ein Licht über die Heide:
Ein Arzt, der zum Kranken eilt, oder ein Jäger
oder mein Mädchen, das zum Nebenbuhler schleicht.

(Anonym)

DER ORANGENZWEIG

Zum Mädchen, das in ihrer Kammer näht,
Ist plötzlich süß ein Flötenton geweht.
Durchs Fenster fällt ein Schatten auf ihr Knie
Von dem Orangenbaum und streichelt sie.
Ist es des Liebsten Hand? Und dünkt ihr nicht,
Daß er ihr bald Orangenblüten flicht?

Tin-tun-ling


IN DEN WIND GESUNGEN

Wenn ich, an ihren Brüsten hingesunken,
Den heiligsten der Tränke tief getrunken:
Komm, Drache Tod, laß mit dem letzten Hauch
Uns in die Luft vergehn wie blauer Rauch,
Und laß uns noch nach hunderttausend Jahren
Vereint als Sturmwind durch die Lüfte fahren!

Li-hung-tschang

Persische Liebesdichtung

Nachdichtung des Hafis

In welcher Sprache ich auch schriebe,
Persisch und türkisch gilt mir gleich.
Ein Himmel wölbt sich über jedem Reich,
Und Liebe reimt sich überall auf Liebe.

Dies dünkte Hafis Inbegriff des Schönen:
Wenn Mädchen tanzen, und die Becher tönen.
Wenn der Gesang ihm von der Lippe loht,
Und wenn er lächelnd schreitet in den Tod.

Wär ich der See, in dem du dich bespiegelst,
Wär ich der Quell, der dich, du Blume, netzt.
Wär ich der Brief, den du mit Gold versiegelst,
Wär ich der Hund, den deine Spielwut hetzt.
Wär ich der Baum, der deinen Schlaf beschattet,
Wär ich der Traum, den deine Sehnsucht schürft.
Wär ich dein Gatte, der dich nachts begattet,
Wär ich das Licht, das dich erhellen dürft!

Mein Auge ist nur dazu da,
Daß es dich spiegelt.
Mein Mund, damit er deinen Mund
Versiegelt.
Die Hand, damit sie deine Hand
Behalte.
Mein Sinn, damit er deinen Sinn
Entfalte.

Ich las in e i n e m Buch nur mit Vergnügen,
Doch kann ich mich an ihm nicht lesen satt.
Die Liebe lese ich in deinen Zügen
Und blättre k ü s s e n d Blatt um Blatt.

Allah lächelt mir so lieblich,
Und es blüht der Tubabaum.
Jubelnd ach begreif ich's kaum:
Allah lächelt mir so lieblich.
Allah lächelt mir so lieblich,
Sieh Suleika, wie er lächelt,
Wie sein Hauch dein Herz umfächelt,
Allah lächelt uns so lieblich.

Der Nachtigall im Strauche lauschst du nicht,
In den Novemberstürmen rauschst du nicht,
Mit deinem edlen Pferde jagst du nicht,
Den Pfeil auf deinem Bogen wagst du nicht.
Der Kuß auf schöner Lippe blüht dir nicht,
Das Herz im Feuertaumel glüht dir nicht.
Was bist du Mensch, und was denn willst du sein?
Es bleibt dir nichts: ertränke dich ... im Wein ...

Daß uns der Fürst wie Schachfiguren schiebe,
Sei widerraten ihm: es herrsche Liebe!
Ob uns der Sturm rauh in Atome stiebe,
Uns schweißt zusammen Liebe, Liebe, Liebe.
Gieß deine Tugenden durch tausend Siebe.
Was übrig bleibt ist. Liebe, Liebe, Liebe.
Was tat der Tod dem, der ihn bald vertriebe
Zum Tode mit dem Feuerschwert der Liebe?

Mich liebte Persiens schönste Frau.
Der Himmel färbte meine Augen blau.
Ich liebte Persiens schönstes Kind,
Da ritt auf Wolke ich und Wind.
Ich liebte Persiens schönstes Weib:
Leib wurde Geist, Geist wurde Leib.

Erst dacht ich, daß in deinem Auge ich am Ziele
Der ganzen Welt.
Nun sehe ich wieviele Ziele
Mir noch gestellt.
Ich sinne täg- und stündlich,
Was hinter deiner Stirne brennt ...
Ich weiß: da glänzt so unergründlich
Das ganze Firmament.



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