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Sie ist daheim, doch draußen lauern viele,
die sie so sehr enttäuschen könnten.
O, wer nimmt mir meine Sehnsucht ab?
Viele Nächte kamst du leise trotz des Regens, Liebster.
Du schlichst vorbei an meinem Vater, der im Gebet vertieft war.
O, wer nimmt mir meine Sehnsucht ab?
Großen Kummer bereitet mir deine schöne Eleganz, dein leuchtendes Gesicht.
Als du noch bei mir warst, mein Herz, war dein Kopfhaar mir ein Spiegel.
O, wer nimmt mir meine Sehnsucht ab?
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Anonymes schottisches Liebeslied
Sag's mir
und ich steh auf
lebendig und hungrig
an einem neuen Frühlingsmorgen.
Entfache das Feuer, das ich abgedeckt hatte,
mit dem besten Stück Torf
vom Boden des Haufens.
Nimm meinen Stolz
und übergieß ihn
mit meinem Blut, meinem Zorn und meinem Verlangen;
denn ich hab' die Zeit des Ruhens satt, ein Ruhen,
das immer nur dieselbe Stille
nimmt und gibt.
Màiri NicGumaraid (geb. 1955)
Ich betrachtete dein Gesicht
wie das Gesicht einer Rose,
wie ein blühendes Tal im Traum;
und ich sah ein Abbild vom Sinn meines Lebens plötzlich
in einem Augenblick.
Ich sah Wasser
wie das Wasser des Flusses
Berghänge herabstürzend,
und ich sah Geschichte vorbeirasend
auf Felsenrücken
als die Wolkendecke brach.
Ein zu scharfer Blick
auf die Dinge, die dich betreffen,
wie eine Sonne,
welche die Toten blendet.
Für dich jedoch, mein Schatz,
würde ich die Tränen bereithalten
bis an die Grenze
meiner Sehkraft.
Màiri NicGumaraid (geb. 1955)
Gib mir deine Hand,
Der Herbst ist gekommen.
Wir gehen unter Bäumen
in dem einen Licht,
eintönig stählern.
Die Bäume haben keine Kronen,
sie haben ihren Seidenschein verloren.
Die Königinnen haben uns verlassen,
Sie haben keine Kleider mehr
und sind dem Wetter ausgesetzt.
Gib mir deine Hand.
Die Kälte ist gekommen.
Du fühlst in deinen Knochen
das Zittern des Gefrierpunkts,
den Strahl des Königsreichs, das einmal war
Die Bäume sind wie Thermometer,
leuchtend, offenbar.
In ihnen sieht man keine Säfte.
Sie sind zurückgegangen
hinunter in die Erde.
Gib mir deine Hand.
Wir sind Kindern gleich
in einem alten Märchen
geschrieben von Hans Andersen
im Herbst.
Iain Mac a' Ghobhainn (geb. 1928)
Nicht auf dich
hat mein Herz gewartet,
mein schmerzendes, entblößtes Herz,
zerschmettert wie ein Blüte;
aber umarme mich dennoch,
gib meinem Kummer deine Schulter
in dieser zerklüfteten Welt
wo alle Zuneigung verkümmert.
Meg Bateman (geb. 1959)
Haut an Haut, mein Herz,
das Salz unseres Schweißes
macht das Bett zum Meer
Mund fest an Mund
der Salm des Wissens, deine Zunge,
schwimmt heute nacht in mir.
Cathal Ó Searcaigh (geb. 1956)
Lieber doch einen Barjungen
mit einem Herzen voll Zärtlichkeit
Der mit feuriger Glut
über Laster und Lyrik redet
Dessen Lachen im Schlund
schwelt wie fasriger Torf
Dessen Augen Funken sprühen
die das Feuer meiner Lust anzünden
Als Nofretete im Bett und
die Pracht der Pharaonen im Haus.
Cathal Ó Searcaigh (geb. 1956)
Wenn ich sehe, wie du deine Schönheit in dieser Stadt spazierenführst,
Deinen unverwechselbaren Ausdruck, nicht Andenken, nicht Ähnlichkeit,
Sondern ein See, der des Waldes Blick fixiert, auch wenn die Zivilisation
Ihn in den Schmutz zieht, ein Raum, der immerfort die Welle streichelt,
Die den Horizont über Felsen benetzt, nachdem die Ebbe
Das Wasser vertrieb, dann ist dein Atem an meiner Wange
Wie das Gleiten einer Kinderzunge
Über eine Orange: Und meine Sinne entdecken keinen Makel.
Und ich sehne mich danach, auf immer dein zu sein, jenseits
Von Klamotten, von Kochtopf, von kuscheligen
Häuschen. ich strecke meine Hand über alles Käufliche hinweg
Zu dir. Du mußt wohl sein wie die Saat im Torf,
Die über Jahre hinweg die Pest vielleicht
Vergaß. Oh hätt' ich Finger! Hätt' ich nur Finger, sie ganz zu erfassen!
Bobi Jones (geb. 1929)
Ein kleines Gedicht webte ich dir
aus Meerwind
und Binsen, exakt,
des Nachts oben auf einem Felsen.
Ich wechselte
Worte mit weißen
Strandmöwen
über den frühen Morgen.
Sie verbreiteten den Sinn meines Liedes
am Gischtschwanz des Meeres.
In einer kleinen Inselsprache
verfaßte ich ein Gedicht,
das du nie verstehen wirst, Liebe,
mit deinem europäisch-festländischen Geist.
Ich breite Worte
auf den Weltozeanen aus,
während ich in die Gebiete
deines Festlandes zurückkehre.
Colm Breathnach (geb. 1961)
Wir gingen auf dem Pfad des Hügels
unter dem Schatten der Bäume, kühl in der Hitze,
Orangen, abgefallen, flimmerten in den Gräben
Bildteppich von schwarzen Oliven unter unseren Füßen.
Als wir mit dem Sonnenuntergang nach Hause zurückkehrten
wurde der Pfad aus Höflichkeit rot vor uns
und als die Sperbereule von der Kuppe zu uns sprach,
sagtest du 'wir werden nun ewig leben'.
Seán Ó Tuama
Heut' nacht
bist du
ein Lied
in meinem Herzen
das ich singen muß
ein süßes Lächeln
ein reißender Fluß
durch die Steine
Wellen auf Felsen
voller Gefahr
Donner
mitten in der Nacht
Saiten einer Harfe
behutsam berührt
Musik des Windes
in einem Baum
Sturm in der Wildnis
die unfruchtbar war
ein Lied
süß und wertvoll
in meinem Herzen
heut' nacht
Maoilios Caimbeul (geb. 1944)
In der Ferne bogen die Pinien
Ihre liebevollen Äste.
Und vor uns legte
Das Meer seine weißen Kronen nieder.
Für unsere Körper entfaltete die Düne
Die verborgene Helligkeit ihrer geschützten Winkel.
Aus Achtsamkeit verbarg
Eine Schleierwolke die Sonne
So rötlich und so zart
Wie Weißdornblüten am Palmsonntag
In den fehlerlosen Frühlingen
Unserer Jugend.
Reun Ar C'halan (geb. 1923)
Zwischen den Blättern des Romans
liegt ein kleines zerknittertes Stück Liebe,
kahl, ohne Blüten,
nichts als ein zerbrechlicher Stengel,
ein abgestorbener Stummel, wo früher
eine Ode an das Leben war.
Mit ihm in der Hand
klebt der Geruch uralter verstaubter Bibliotheken
nun schwer am Stiel,
aber die überwätigende Stille wird überflutet vom
Flüstern der einfachen Botschaft der Blume.
"Denk an mich,
solange es die Blume gibt."
Die Leidenschaft und die Liebe sind noch da, etwas
zerrupft zwar,
aber zwischen den Fingern und der Fantasie
wird die erste elektrische Berührung wieder spürbar.
Elinor Wyn Reynolds (geb. 1970)
Im Spiegel deiner Augen
Sehe ich Eisvögel
Die zu zweit zum selben Nest fliegen
Und das Licht von tausend Sternen
Tanzt um sie herum.
Im Spiegel deiner Augen
Sehe ich schwitzende Inseln voller Düfte
Die unseren ersten Begierden zulächeln
Und ein kleines weißes Boot segelt ihnen entgegen
Mit geöffnetem Segel
Wie der Schleier einer Braut
Der ihr selbst im Todeskampf noch
Ihre Reinheit bewahrt.
Im Spiegel deiner Augen
Sehe ich das lodernde Feuer unserer angeketteten Arme
Die zusammen verbrennen.
Naig Rozmor (geb. 1923)
Seit gestern werde ich dich lieben
Seit dem ersten Tag der Welt
Morgen habe ich dich so sehr geliebt
Daß mir heute noch der Atem fehlt
Dort gehalten, liebe ich dich anderswo
In Orten, von denen ich nichts weiß
Im Universum, das erst erschaffen werden muß
Und im Überall des Nirgendwo
Ohne deinen Namen zu kennen, liebte ich dich
Deine Nacht leuchtete in meinem Tag
Wie ein unendlich großer schwarzer Stein
Und gerade dann wurde ich geboren
Per-Jakez Helias (1914-1995)
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