Krishna: - Wo immer ihre Zwillingsfüße |
Wo immer ihre schönen Augen offen,
Seht ihr die weißen Wasserlilien blühen!
Wo immer hell ihr leichtes Lachen klingt,
Da wird vor Neid der Nektar selber sauer:
Wo ihre Seitenblicke treffen, fliegen
Myriaden von Gott Madans Liebespfeilen!
Ein Augenblick des Anschauns solcher Schönheit
Genügt, um die drei Welten auszulöschen:
Und könnt ich sie nur einmal wiedersehen,
So würden Wehmut mir und Trauer schwinden!
Vidyapati spricht: Nun, um deinetwillen,
Ja dir zu Liebe will die Maid ich bringen.
(Vidyapati Thakur)
Radha: - Wie soll ich erzählen von Kanus Schönheit?
Wie soll ich beschreiben die Traumgestalt?
Sein hold Gebild gleicht der jungen Wolke,
Sein gelbes Gewand dem leuchtenden Blitz.
So schwarz, so schwarz sein welliges Haar,
Die Pfauenfeder so nahe dem Monde!
Duftend nach Ketaki und Jasmin,
Daß Madan hinwirft die Blumenpfeile.
Vidyapati fragt: Was soll ich noch sagen?
Natur hat die Schätze Gott Madans erschöpft!
(Vidyapati Thakur)
Radha: - Ich hatte Kanu mir gewünscht, zu sehen,
Als ich ihn sah, ward ich von Angst erfüllt.
Seitdem bin immer ich verliebt und töricht
Und weiß nicht, was ich sage, was ich tue.
Aus meinen Augen tropfte steter Regen,
Und unaufhörlich schlug mein Herz tick-tack.
Ich weiß nicht, was mich zwang, ihn anzuschauen, -
Nun liegt mein Leben in des andern Hand.
Wie sag ich, was der liebe Dieb mir antat, -
Er stahl mein Herz beim ersten Blick und ging,
Doch scheidend zeigte er mir so viel Liebe,
Daß ich ihn, leider! nicht vergessen kann!
"Hör, holdes Mädchen", spricht Vidyapati,
"Geduld, du wirst Murari bald begegnen."
(Vidyapati Thakur)
Sakhi: - Kann ich ihr erstes Lieben denn erzählen?
Bis sie einander sahn zum ersten Male,
Wie viele Freuden wurden unaufhörlich
In beiden Herzen wach!
Doch als der Pfeil
Der Liebe grausam ihre Brust durchbohrte,
Blieb nur in beider Herzen ein Verlangen.
Wenn ihre Seelen erst vereinigt, werden
Sie es für immer bleiben; nur die Scham
Trennt sie jetzt noch.
Sucht euch nicht zu verbergen,
Wie grausam euch der Liebesgott besiegt!
Denn eure Augen zittern und gestehen,
Daß sich die Jungfrau nicht mehr selbst gehört,
Und sich der Jüngling weiht der einzig Einen.
Ach, beider Körper schwinden sehnend hin
Unter dem Hauch der Winde von Malayen,
Bei Mondenstrahl und kühlen Lotosblättern.
Wie lange werden sie, was unerträglich,
Ertragen? werden sie so tief bewegt
Für immer bleiben? ihres Sinns nicht Meister?
Keins nennt dem andern seine tiefe Sehnsucht,
Denn beider junge Herzen sind voll Stolz.
Hark Nath der Dichter singt dies, und sein König
Lakshmisvar Sib versteht wohl die Bedeutung.
(Harknath)
Krishna: - Dein Haar beschämt den Yak, es sinkt der hohe Berg herab zum Tale,
Aus Furcht vor deinem Angesicht verblaßt der Mond am Himmelszelt,
Die Antilope deinen Blick, der Kokil deine Stimme scheut,
Vor deinem königlichen Gang birgt sich der Elefant im Wald:
Was kamst du nicht und sprachst mit mir, du Holde, schöner als der Mai?
All diese, siehst du, sind geflohn so meilenweit aus Furcht vor dir,
Und solltest du nun wiederum, Geliebte, fürchten dich vor mir?
Die Lilienknospe säumt im Teich aus Neid auf deiner Brüste Pracht,
Indes der kugelförm'ge Krug freiwillig in das Feuer springt.
Der Honigapfel wagt sich nicht, auch die Granate nicht herab,
Sie bleiben klug auf ihrem Ast, - und Shambu trinkt sein scharfes Gift.
Der goldne Lilienstengel steigt nicht auf, er weiß, wie schön dein Arm,
Erschreckt von deinen Fingern bebt und zittert jeder Blumenstiel!
Vidyapati der Dichter fragt: Wieviele Liebeszauber soll
Ich wiederholen noch, die all' auf diesen einen Ton gestimmt.
(Vidyapati Thakur)
Radha: - Wie nun geb ich, liebe Freundin, dir all meinen Kummer wieder?
Ach, das Flötenspiel des Krishna gießt mir Gift durch alle Glieder:
Dringend, werbend, süß beschwörend hör ich es melodisch flehen,
Und es wollen Leib und Seele mir in bittrer Scham vergehen.
In den höchsten Augenblicken, wenn der Kelch will überfließen,
Muß ich, daß es keiner merke, meine heißen Augen schließen:
Wenn in meiner Eltern Kreise wilde Wogen mich durchfluten,
Zieh' mein Kleid ich fest und fester um des Körpers bange Gluten.
Leise, leise muß ich schleichen durch das Haus voll bittrer Sorgen, -
Noch zwar hat ein gütig Schicksal mein Geheimnis wohl verborgen, -
Doch bezaubert ist mein Wesen, und mein Gürtel gleitet, gleitet - -
Was kann hier der Dichter sagen, wo das Schicksal sich bereitet?
(Vidyapati Thakur)
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