Liebesgedichte aus dem Orient II
HYMNE
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Durchbrochen hab ich ihrer Wächter Schar
Und
die Verwandten, welche alle wünschten, Mich mit dem Dolche
meuchlings umzubringen.
Am Firmamente standen die Plejaden Und funkelten, so
wie die Edelsteine An den Gewändern schöner Frauen
glühn.
Ich kam und sah: Bei einem Vorhang legte Sie ihre
Kleider ab, um dann zu schlafen; Nur einen Schleier noch behielt
sie an.
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Sie sprach zu mir: Ich schwöre, daß du heute
Mich nicht umarmen sollst. Wirst du denn niemals Den Weg
zurück zur frommen Tugend finden?
Und dennoch schritt sie mit mir in die Nacht. Wir
ließen hinter uns ein Tuch hinschleifen, Um auszulöschen
unsrer Schritte Spur.
Als wir dem Dorf genügend ferne waren, Wandte
sie ihre Schritte einem Tale, Das ganz mit weißem Sand
erfüllt war, zu.
Da neigte meine Liebste sich zu mir Und schmiegte
ihren Kopf an meine Brust, Und ihres Körpers Schlankheit
fühlte ich.
Vollendet schön sind ihre jungen Schenkel, Ihr
Leib ist weiß und klein, und ihre Brust Strahlt wie das
blanke Glänzen eines Spiegels.
Sie wendet sich: und reizend starrt ihr Busen. Ihr
Blick ist scheu; so blickt wohl die Gazelle, Die sorgenvoll ihr
Junges überwacht.
Auch ihre Brust ist von Gazellenart, Nur daß
die sanfte Brust meiner Geliebten Durch Edelsteine noch
verschönert wird.
Nachtschwarz sind ihre Haare, und sie fluten Auf
ihren Rücken, üppig wie die Dolden. Der Dattelfrüchte
an den Palmenkronen.
Und dieses Haar ist lockig; in den Flechten, Den
aufgerollten und den wallenden, Verschwinden ihre Kämme ganz
und gar.
In sanfter Rundung prangen ihre Hüften, Die
zierlichen. Und ihre feinen Beine Sind schlank wie Binsen, die im
Wasser stehn.
Am späten Morgen steht sie auf. Ein Duft, So
wundervoll, als stamm er von Muskat, Umweht ihr Lager. Sie erhebt
sich spät,
Weil kein Geschäft sie, keine Arbeit zu Besorgen
hat. Die Finger ihrer Hände Sind zart und rosig, kleinen
Blüten gleich.
Ihr Teint besitzt die Farbe eines Eis, Gelegt von
einer jungen Straußin, die Nur immer silberklares Wasser
trank.
Ihr Teint ist ambrafarben. Er durchschimmert Die
Nacht wie eine Fackel, die ein frommer Einsiedler in der
Finsternis erhebt.
Der Weise auch muß ihr Bewundrung zollen, Wenn
sie daherkommt, zwei Begleiterinnen Zu Seiten, die sie völlig
überstrahlt.
Oft heilt die Zeit den Wahnsinn der Verliebten, Doch
niemals wird mein Herz die Leidenschaft Preisgeben, die ihm Licht
und Nahrung ist.
Wie oft schon haben Freunde mich bestürmt, Ich
solle sie verlassen, die ich liebe. Taub bleib ich solchem
Ratschlag immerdar.
Wie viele Nächte, die mir endlos schienen, Gleich
dem gedehnten Wogengang des Meeres, Sind mir mit dunkeln Sorgen
schon genaht.
Einst sprach ich zu der Nacht, von der ich meinte, Daß
sie zur Hälfte schon verflossen sei, Die aber immer
schrecklicher sich dehnte:
O Nacht, so sprach ich, lange Nacht, entflieh Und
mache endlich Platz dem jungen Tag, Wenn ich auch weiß, daß
aller Tagesglanz
Die Unruh meines Herzens nicht verscheucht, Wenn ich
auch ewig, ewig leiden muß, So wie das Licht der Sterne
ewig scheint.
So steht's mit mir, zu sehr Geliebte du!
AMR
IL KAIS (etwa 500-540 n. Chr.)
Wenn sie allein ist, wenn sie nicht die Blicke
Feindlicher Menschen zu befürchten hat, Dann läßt
sie unbekleidet ihre Arme,
Die wohl den Gliedern eines weiblichen Kameles
gleichen, das noch nie gebar. Und auch ihr Busen ist dann
unverhüllt,
Der zwei aus Elfenbein gemachten Bechern, Die noch
kein Mensch jemals berührte, gleicht. Ihr Leib ist lang und
schön geschweift. Die Hüften
Sind schwer von ihres üppigen Fleisches Fülle,
Sie geht verführerisch, - die Türen scheinen Zu
schmal für sie, und ich bin toll nach ihr.
So weiß sind ihre Lenden, daß sie Säulen
Aus Marmor gleichen oder Elfenbein, Und wenn sie schreitet,
klirren ihre Spangen.
Bin ich von ihr entfernt, erfaßt mich Sehnen, Wie
ein betrognes Tier, dem man sein Junges Genommen hat und das nun
klagt nach ihm.
Von ihr entfernt, bin ich voll Schmerz und Jammer, Wie
eine Mutter voller Jammer ist, Die ihre Kinder durch den Tod
verlor.
AMR IBN KULTHUM (6. Jh)
Fällt Nacht auf mich hernieder? oder fühl ich
Das Fluten deines schwarzen Haares? Ist es
Der Mond, der
scheint, oder dein süßes Antlitz?
Seh ich ein Blatt der lieblichen Narzisse Oder dein
Augenlid? Seh ich das Leuchten Von Hagelkörnern oder deine
Zähne?
Erheben sich auf deiner Brust zwei Hügel, Von
Elfenbein, - oder erblickt mein Auge Die Fülle deines Busens?
Ist es Flugsand,
Was unter deiner Kleidung sich bewegt, Oder das
Schwellen deiner jungen Hüften? Wenn du erkennen könntest,
wie ich leide
Um deinetwillen, Schrecken würde dich Erfassen,
und du würdest staunend fragen: "Erfüllt ihn
Wahnsinn oder Liebesglut?"
Wenn jemand, der in deiner Nähe war, Sich mir
gesellt, so atm' ich mit Entzücken Den feinen Duft auf, der
mich an Muskat
Gemahnt und den er mit sich führt von dir Als
wie ein Grüßen. Und mit flehender Stimme Sprech ich zu
ihm, der mich so glücklich macht:
"Du hast die Liebesglut in mir vermehrt, Vermehre
jetzt die Worte deines Mundes Und sprich mir lange, lange, lang
von ihr!"
KALIF YAZID IBN MOAUJA (gest. 683)
Womit vergleich ich deine Zähne, Liebste?
Mit
einer schönen, schimmernden Perlenschnur Oder mit Knospen
weißer Hyazinthen?
Vielleicht mit Diamanten? Oder mit Den Blüten
eines Palmbaums, die soeben Durch ihre feinen Schalen brechen
wollen?
Vergleich ich sie mit kleinen Regentropfen, Die an
den Blumen zittern? Oder auch Mit Hagelkörnern, welche durch
ein Wunder
Bewahrt geblieben sind? Vergleich ich sie Mit jenen
kleinen Perlen, die im Weine Zur Oberfläche treiben? Oder mit
Dem Tau, der silbern auf den Beeten blinkt?
UNBEKANNTER
DICHTER
Wenn sie sich zeigt, ruft jeder: Ruhm sei Gott!
Preis
ihm, der sie so wunderbar erschuf!
Sie ist die Königin der Frauen. Alle Sind
unterworfen ihrer Herrlichkeit.
Die Nässe ihres Mundes gleicht dem Honig, Wie
Perlen leuchten ihre Zähne auf.
Nichts reicht an ihres Leibes süßen Zauber,
Das Weltall wird durch ihren Gang verwirrt.
Die Schönheit selber schrieb auf ihre Wangen, Die
rosenzarten: Es ist ewig wahr,
Daß außer ihr es keinerlei Vollendung Und
keine Holdheit auf der Erde gibt!
AUS TAUSEND UND EINE NACHT
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